23 Nov Kinder sind unsere Zukunft? Wohl nur ein Lippenbekenntnis.
Gestern haben wir über eine Gemeinderatsentscheidung berichtet, die bereits über vier Monate her ist. Warum haben wir das gemacht? Weil uns das Thema immer noch weitreichend beschäftigt.
Am 18. Juli diesen Jahres hat der Oberkircher Gemeinderat eine Entscheidung getroffen, die mich nicht betrifft und nie betreffen wird. Ich habe keine Kinder und werde somit nie in die Situation kommen, mir über Essen in den Schulen im Allgemeinen oder deren Finanzierung im Besonderen, machen zu müssen. Und dennoch habe ich mich über diese Entscheidung und den Umgang mit diesem Thema geärgert. Ein Ärger, der auch vier Monate danach noch nicht verraucht ist.
Im Bericht der ARZ zum Gemeinderatsbeschluss bzgl. der beantragten Subventionierung der Schulessen konnte man unter anderem lesen, dass aus Reihen der CDU folgender Kommentar zu vernehmen war: „Es soll mir mal einer vorrechnen, wie eine Mutter zu Hause dafür (= EUR 5,10) ein Essen herstellen kann.“
Als ich die Aussage gelesen habe, ist mir nur ein Adjektiv dafür eingefallen: arrogant. Danach kam noch dazu: diese Aussage ist weltfremd und vollkommen deplatziert. Für EUR 5,10 / Portion kann man durchaus mit etwas Willen, Können und Planung eine ausgewogene, nahrhafte, abwechslungsreiche und vor allen Dingen auch gesunde Mahlzeit zubereiten. Ich war beim Lesen des Artikels ganz kurz geneigt, zu einem gemeinsamen Planen, Einkaufen und Kochen einzuladen. Es mutet nostalgisch an, aber wenn ich an meine Kindheit und Jugend denke, dann haben meine Mutter und meine Großmutter unter der Woche mehrfach ein Essen auf den Tisch gebracht, das weniger als das damalige Äquivalent zu EUR 5,10 gekostet hat. Aber ja: wenn man es nicht muss, dann ist es sicherlich schwer, mit einem schmalen Budget zu kochen.
Weiter konnte man dann das allseits beliebte Argument des Gießkannenprinzips vernehmen. Ja, ein solcher Zuschuss wäre wahrscheinlich auch Menschen und Familien zu Gute gekommen, die es nicht nötig hätten. Dazu hat der Grüne-Stadtrat Stephan Zillgith für mich die Steilvorlage für das Gegenargument geliefert: bei der Aussetzung der Parkgebühren hat es auch niemanden interessiert, ob eventuell (ganz sicher sogar) Menschen davon profitieren, die sich auch die doppelten und dreifachen Gebühren leisten könnten. Sicherlich haben auch einige Einzelhändler davon profitiert, obwohl diese gar nicht mehr Kundschaft gebraucht hätten, weil sie so oder so angefahren werden. Wo war da der übliche Aufschrei nach „Gießkanne“ und falschen Profiteuren?
Liest man sich die Unterlagen zu dieser Gemeinderatssitzung vom 18. Juli durch, dann sind zwei Zahlen auffallend: der Zuschuss für die Schulessen in Höhe von EUR 0,70 pro Essen beläuft sich pro Schuljahr auf ca. EUR 45.000,00. Die Parkgebühren, auf die man zwei Jahre verzichtet hat, haben sich in diesen beiden Jahren auf ca. EUR 85.000,00 summiert. Damit hätte man für ungefähr den gleichen Zeitraum die Subventionen für die Schulessen fast vollständig wieder erwirtschaftet. Über die viel zu günstigen Gebühren für den Wohnmobilstellplatz und das dort verschenkte Geld, möchte ich gar nicht sprechen.
Es war uns wichtig – und es war richtig – den Einzelhandel während der Pandemie zu stärken und zu unterstützen. Wo aber bleibt die Unterstützung für die Kinder? Ganz unabhängig von Corona wurde in den letzten Jahren die Entwicklung sichtbar, dass abwechslungsreiche Mahlzeiten aus gesunden, qualitativ hochwertigen Lebensmitteln für immens viele Kinder in ihrem Alltag, in ihren Familien – aus den verschiedensten Gründen – nicht existent sind. Studien haben ergeben, dass in der Zeit der Pandemie die Ernährung von Kindern noch mehr gelitten hat. Und das vollkommen unabhängig von der wirtschaftlichen Situation der Eltern.
Wo, wenn nicht in den Kindergärten und Schulen, wollen und können wir Kindern und Jugendlichen denn sonst auf einfachstem und direktem Weg eine Alternative bieten?
Ich war nicht in der besagten Gemeinderatssitzung. Dennoch bin ich sicher, dass auch dort mindestens einmal die übliche Plattitüde „Kinder sind unsere Zukunft!“ ausgesprochen wurde. Ich sage: nein, verdammt nochmal, das sind sie nicht! Kinder sind nicht unsere Zukunft, sie sind unsere Gegenwart! Wenn wir heute nicht endlich anfangen, etwas für Kinder und Jugendliche zu tun, dann wird es künftig ganz schön düster in allzu vielen Bereichen.
Wenn wir heute bereitwillig die Wirtschaft stützen, ohne zeitgleich bereit zu sein auch für die Kinder und Jugendlichen in unserer Gesellschaft mindestens das Gleiche zu tun, dann sind unsere Worte nichts weiter als billige Lippenbekenntnisse. Verbunden mit der Hoffnung, dass sich jemand anderes um das Problem kümmern möge.
An Entscheidungen wie dieser merkt man wieder einmal: es ist ein großer Fehler, dass es keine vernünftige politische Teilhabe von Kindern und Jugendlichen gibt.
Kommentar | Meinung von Saskia Ganter
Ortsvereinsvorsitzende der SPD Oberkirch
Vorstandsmitglied der SPD Ortenau