22 Feb Stellungnahme des Fraktionsvorsitzenden zum Bürgerbehren
„Habt ihr im Gemeinderat eigentlich keine anderen Probleme?“ wurde ich in den letzten Tagen oft gefragt. Ich gebe zu, die Frage ist berechtigt. Auch ich habe geglaubt – und gehofft -, dass mit der Entscheidung des Gemeinderats aus dem Oktober 2019 zumindest für die nächsten paar Jahre etwas Ruhe einkehren wird und sich die Fußgängerzone entwickeln und stabilisieren kann. Ohne permanente Störgeräusche. Das war wohl ein großer Irrtum.
Nach über 25 Jahren Kommunalpolitik ist mein persönliches Vertrauen in eine seriöse und sachlich-orientierte Gemeinderatsarbeit schwer angeknackst. Ich mache keinen Hehl aus meiner augenblicklichen Gefühlslage. Diese ist geprägt von Unverständnis, Enttäuschung und auch Empörung über den Weltuntergangsstimmung verbreitenden Aktionismus einiger Kolleginnen und Kollegen aus dem Gemeinderat.
„Was ist passiert?“ – oder besser gefragt: „Wo ist eigentlich das Problem?“ Vor knapp vier Monaten hat der Gemeinderat nach bestem Wissen und Gewissen, nach intensiver Beratung einer 14-seitigen Verwaltungsvorlage mehrheitlich eine Entscheidung getroffen. Diese Entscheidung stellt für die augenblickliche Gemengelage eine gute Lösung dar. Einen Kompromiss.
Dabei haben wir zum Einen das wichtigste Argument aus dem Weg geräumt, welches von den damaligen Initiatoren und den knapp 4.000 Unterschriften-Leistern vorgetragen wurde: die Verkehrssicherheit rund um den August-Ganther-Platz und der beiden Eisdielen in den Sommermonaten. Zum Anderen haben wir aber auch, aus einer gewissen Verantwortung heraus, momentan noch vorhandene Sorgen und Bedenken des Einzelhandels – ob nun begründet oder nicht – mitberücksichtigt. Im Übrigen gibt es bei der saisonalen Lösung einen durchaus willkommenen Nebeneffekt: die Verkehrsentlastung im Bereich des südlichen Weierwegs bis zur Kreuzung August-Ganther-Straße (Mitte) um im Schnitt 350 Kfz pro Tag.
Was nun die Kolleginnen und Kollegen der BfO und der Grünen-Fraktion im Nachgang zu dieser demokratischen Entscheidung veranlasst hat, ein Bürgerbegehren loszutreten, ist deren Geheimnis.
Aus meiner Sicht wurden damit elementare demokratische Gepflogenheiten missachtet, wenn auch rechtlich gesehen zulässig. Die repräsentative Demokratie ist ein hohes Gut, mit dem man nicht so leichtfertig umgehen darf. Es liegt in der Natur der Sache, dass es ein Gemeinderat nicht immer allen recht machen kann. Nichtsdestotrotz hat dieses System bisher gut funktioniert. Ein Bürgerentscheid ist dann angebracht und sinnvoll, wenn es um grundlegende und bedeutsame Projekte geht. Ein solches war bspw. im Jahr 2007 die Abschaffung der „UTE“ (= Unechte Teilortswahl). Ein ganz anderes Kaliber als der jetzige Anlass hätten auch das Hochregallager der Papierfabrik, die Schulsanierung aktuell oder auch die damalige Entscheidung, ob in Oberkirch überhaupt eine Fußgängerzone eingerichtet werden soll.
Für die Initiatoren des Bürgerbegehrens und für die Bürgerinnen und Bürger, die unterschrieben haben, stellt die jetzige Situation offensichtlich ein solch großes und grundlegendes Problem dar, dass ihrer Meinung nach nur ein Bürgerentscheid diese „Katastrophe“ rückgängig machen kann.
Begründet wird das Bürgerbegehren
- mit dem permanent wechselnden Zustand (zweimal pro Jahr), der für die Verkehrsteilnehmer unübersichtlich und verwirrend sein soll und dadurch ein Gefährdungspotential darstellt.
Es mag vielleicht den ein oder anderen Verkehrsteilnehmer geben, der mit dieser Situation überfordert ist. Dieser dürfte dann aber generell im Straßenverkehr große Probleme haben. - mit den Kosten, die eine Umrüstung zweimal pro Jahr verursachen würde.
Der Bevorstehende Bürgerentscheid, den die BfO und die Fraktion der Grünen zu verantworten haben, kostet die Stadt – und somit den Oberkircher Steuerzahler – bis zu €15.000,–. Nach Abzug der Kosten, die für die Umpflanzung der Blumenkübel so oder so anfallen, bleiben am Ende nur ca. €2.000,– übrig. Im Eingangssatz der Unterschriftslisten der BfO heißt es „Wer bestellt, bezahlt.“ – die Kosten für den Bürgerentscheid werden aber auch denjenigen aufgebürdet, die diesen nicht bestellt haben. - damit, dass sich auch in der Wintersaison, also der kurzen Fußgängerzone, die unerlaubten Durchfahrten erhöht hätten.
Ob dies tatsächlich so ist, kann ich nicht abschließend beurteilen. Wenn ja, dann ist das jedoch ein grundlegendes und generelles Problem, welches unabhängig von der Länge der Fußgängerzone zu lösen ist.
Nun zu dem immer wieder vorgetragenen Argument, wir respektierten den Willen des Bürgers nicht. Ich bin absolut überzeugt davon, dass es eine sogenannte „schweigende Mehrheit“ gibt, die mit der jetzigen Lösung entweder einverstanden ist oder diese zumindest akzeptieren kann, wenn man sie auch nicht vollumfänglich gutheißt. Verärgerung allein kann doch aber nicht Auslöser eines Bürgerbegehrens sein.
Genau aus diesem Grund bin ich auch der Meinung, dass dieses Bürgerbegehren erst gar nicht zu Stande gekommen wäre, wäre nicht aus der Mitte des Gemeinderats heraus der Funke gezündet worden.
Und das ist in meinen Augen der eigentliche Tabubruch.
Wenn also der bevorstehende Bürgerentscheid der Maßstab dafür ist, wie die zukünftige kommunalpolitische Arbeit im Gemeinderat aussieht, dann werden sich Jahr für Jahr genügend wichtigere und bedeutsamere Themen und Projekte finden, die ebenfalls dem Bürger zur Entscheidung vorgelegt werden sollten. Was das bedeutet – darüber lohnt es nachzudenken.
Die BfO sowie die Fraktion der Grünen wollten diesen Bürgerentscheid – sie haben ihn bekommen. Für mich und meine beiden SPD-Fraktionskollegen ist dieser Bürgerentscheid weniger eine Abstimmung über die Sache an sich – die es nicht wert ist, so aufgeblasen zu werden – als vielmehr eine Abstimmung über Vertrauen und den Entzug von Vertrauen sowie eine Schwächung von Gemeinderat und Verwaltung.
Ihr Hans-Jürgen Kiefer